DARMSTÄDTER ECHO vom 6. März 2006

Wer? Wann? Was?
Wie zwei Darmstädter mit 40 Sprachen die Welt umrunden

Harald Billinger (53) schaute am 2. Februar in diese Zeitung. Sah unter »wer? wann? was?« den Ausschnitt eines Plakates mit japanischer Schrift nebst germanischem Einsprengsel (»Design Deutschland«). Sagte zu Kompagnon und Freund Christian Gerritzen (44): »Schau’ mal: Das haben doch wir gemacht …«

Da fasste sich der Arheilger Billinger ein Herz. Rief in der Redaktion an, um – sehr freundlich und zurückhaltend – sich als sein eigenes typographisches Fundstück zu vermelden. Was natürlich die heitere Frage provozierte: »Woher können Sie so gut Japanisch? Unseres ist derzeit ein bisschen eingerostet …«

Lachend bekannte Billinger, dass er gar nicht Japanisch könne. Damit jedoch, wie mit 39 (!) anderen Sprachen der Welt, sein Geld verdiene. Und das schon seit 20 Jahren. Täglich rund um den Globus. Ohne Arheilgen dabei verlassen zu müssen. Nanu?

Des Rätsels Lösung: Billinger und Gerritzen, die unterm partnerschaftlichen Nachnamen-Kürzel BG firmieren, gestalten weltweite Übersetzungslösungen für große Unternehmen.

Ganz einfach, an einem Beispiel, erklärt: Ein deutscher Automobilkonzern plant eine gigantische Messe in Peking. Dafür hat er schon Plakate, Broschüren und anderes Werbematerial mit vielen Fotos aufwändig gestalten lassen. Nur: An entscheidenden Stellen steht (vorläufig) noch ein deutscher Text. Den Chinesen natürlich nicht verstehen. Das ist der Moment, da bei BG die Telefone klingeln, elektronische Hilferufe im Computer landen. Könnten Sie eventuell …? Ja. Sie können.

Dann verständigt Billinger per Computer ein weltweit angeschlossenes Mitarbeiter-Gremium von mehreren hundert Übersetzern. Die transferieren die deutsche Vorlage penibel in die gewünschte Sprache. Billinger gibt das an Gerritzen weiter. Der dann alles, ohne ein Wort davon verstehen zu müssen, passgenau ins zu druckende Endprodukt einpasst.

Die Kundenschar ist groß: ob Kristallglas-Krösus, Modezar oder deutscher Küchen-Apostel von Ceran-Kochplatten. Alle landen, damit sie im Ausland landen können, zunächst in Arheilgen.

Was manchmal schon Routine ist, macht BG bei Ausnahmen Spaß. Aktuell arbeitet das Duo an der indischen Mundart Gujarati. Die spricht sich Gudscharati. Doch wie ist das nur zu schreiben? Alles schon in Arheilgen entziffert, damit die auftraggebenden Inder es nicht entziffern müssen. Sondern sich zuhause beim Lesen wie zuhause fühlen.

Das Zuhause von Billinger und Gerritzen: Guerickeweg 5. Frage: Wer war Guericke? Da zeigt sich, wie das ständige Herumgewusele im virtuellen Raum der Computerwelt den direkten Bezug zur Realität vernebeln kann.

Billinger gesteht: »Guericke? Herrje! Da müsst’ ich mal im Internet suchen.« Wie wär‘s mit einem Schritt vor die Tür und das Schild abschreiben? »wer? wann? was?« hilft: Otto von Guericke (1602–1686), Physiker. Erfinder der Luftpumpe (1650). Aber wie heißt Luftpumpe auf Chinesisch?

Nachweis gefällig? Beim Interview überraschte das Duo Billinger/Gerritzen (BG) »wer? wann? was?« mit sechs internationalen Schreibweisen des Kolumnentitels. Per Knopfdruck wären noch 36 weitere Varianten möglich gewesen. Aber es muss ja nicht gleich übertrieben werden.

Bert Hensel